Land | Nordtirol |
Länge | 12,1km |
Spurweite | 1.000mm |
Eröffnet | 1891 |
Eingestellt | 1974 |
Anfangspunkt | Innsbruck |
Über | Mühlau - Arzl - Rum - Thaur |
Endpunkt | Hall in Tirol |
Traktion | 1.200V = |
Anmerkung | elektrifiziert 1910 |
Vorgeschichte
Nach etlichen Anläufen beantragte ein Konsortium 1888 eine Konzession für eine meterspurige, mit Dampf oder anderer Motorkraft zu betreibende Lokalbahn von Hall (Unterer Stadtplatz)–Kugelanger–Südbahnkreuzung–Thaur–Rum–Arzl–Mühlau–Kettenbrücke–Saggen–Innsteg–Innbrücke–Maria-Theresien-Straße–Landhaus.
Von hier sollten Ergänzungslinien einerseits zum Südbahnhof und eine zweite durch die Leopoldstraße nach Wilten mit Endstation am Fuße des Bergisels führen. Ebenso war später im Rahmen eines sogenannten „Dörferbahn-Projektes“ gedacht, die Dörfer Thaur, Rum, Arzl und Mühlau direkt mit einer Überlandstraßenbahn anzufahren; dieses Projekt kam ebenso wie eine Anbindung in Hall an die damalige Innschifffahrt nicht zu Ausführung.
Bau und Betrieb
Am 18. September 1889 wurde auf Ansuchen von Louis Hirsch, August Riedinger, H. Ritter von Schwind und Anton Prantl die Konzession für eine derartige Lokalbahn erteilt, im Folgejahr teilte die Lokalbahn dem Ministerium mit, dass auf eine Ausführung der Strecke zum Südbahnhof vorerst verzichtet werde und es damit keine Anbindung an die k. u. k. Südbahn gebe, ein Mangel, der erst Jahrzehnte später zufrieden stellend gelöst werden sollte. Die gesamte Strecke wurde eingleisig ausgeführt und am 1. Juni 1891 eröffnet. Am Bergisel, Wiltenerplatz, in der Maria-Theresien-Straße, beim Gasthof Dollinger, in Thaur und in Hall waren Ausweichen vorgesehen. Mit zunehmendem Verkehr wurden noch weitere Ausweichstellen für eine Verkürzung der Zugsintervalle notwendig. Das Unternehmen führte die Bezeichnung „Localbahn Innsbruck–Hall in Tirol (L.B.I.H.i.T.)“ und nahm später auch die Innsbrucker Stadtstraßenbahnen in Betrieb. Diese Localbahn symbolisiert den Anfang des ÖPNV rund um Innsbruck und fungierte in den ersten Betriebsjahren bis zur Eröffnung der Stadtbahn in Innsbruck sowohl als Localbahn nach Hall als auch als Straßenbahn im Innsbrucker Stadtgebiet. Weiters war die L.B.I.H.i.T. von 1900 bis 1927 Betriebsführer der ursprünglich selbstständigen „Innsbrucker Mittelgebirgsbahn (IMB)“, die ab diesem Zeitpunkt in die Localbahn aufging.
Im Jahr 1909/10 erfolgte die Umstellung vom Dampf- auf Gleichstrombetrieb. Es wurde innerhalb der Stadt Innsbruck mit 500 V, später 600 V, und auf der Freilandstrecke mit 1.000 V (ab 1940 mit 1.200 V) gefahren. Die Fahrtstrecke blieb die gleiche bis auf den Abschnitt: Chotekallee (Karl-Kapferer-Str.)–Rennweg. War die Dampftramway seinerzeit durch die Falkstraße gefahren, so benutzte nun die neue Linie „4“ die Kaiserjägerstraße.
Ab 1. Oktober 1929 wurde die „Haller“ von Hall statt zum Bergisel, nur mehr bis zum Wiltenerplatz geführt, wodurch statt vorher vier Züge nur mehr drei benötigt wurden.
Mit der Inbetriebnahme der neuen Mühlauerbrücke wurde die Linie 4 ab Hungerburgbahn über die Linie 1 und eine Schleife über Maria-Theresien-Straße–Hauptbahnhof–Ing.-Etzel-Straße geführt und die alte Strecke Marktgraben–Ottoburg–Handelsakademie–Hungerburgbahn aufgelassen und abgetragen. Die Führung über den Hauptbahnhof wurde bis zur Einstellung beibehalten. 1941 wurde die Unternehmensbezeichnung unter Einbeziehung privater Buslinien in Innsbrucker Verkehrsbetriebe AG geändert.
Zu Betriebsbeginn bestand der Fuhrpark aus vier Dampfloks, neun Personenwagen und zwei Güterwagen. Die Loks wurden von der Lokomotivfabrik Krass/Linz als Bt-Typen gebaut und hatten einen Achsstand von 1.600 mm, 7,8 t Dienstgewicht, LÜP 4.100 mm, Höhe 3.132 mm, 15 atü Dampfdruck und eine Zugkraft von 970 kp. Bei den Personenwagen handelte es sich um die auch noch heute in Nostalgiezügen verwendeten zweiachsigen Personenwagen, die vierfenstrig mit Laternendach ausgeführt waren. Sie waren dunkelgrün gestrichen, trugen an den Seitenwänden das Innsbrucker Stadtwappen und an den Brustwänden die in großen Ziffern angeschriebenen Wagennummern. Interessantes Detail am Rande: Gemäß behördlicher Vorschreibung der K. k. Statthalterei für Tirol und Vorarlberg hatte der „Kondukteur“ bei Erreichen einer max. Fahrgästezahl von 34 Personen je Wagen an beiden Längsseiten des betreffenden Wagens eine Tafel mit der Aufschrift „complet“ anzubringen. Übertretungen wollte die Behörde z. B. mit Arrest von sechs Stunden bis 14 Tagen bestrafen. Im Verlauf der nächsten Jahre wurde der Beiwagenbestand auf insgesamt 29 Stück derartiger Wagen aufgestockt, wobei einige als vollkommen offene Sommerbeiwagen geliefert wurden. Ein derartiger Sommerbeiwagen (BW 16) sowie fünf geschlossene Beiwagen (vier Stück in verschiedenen Epochen restauriert, ein Stück nicht aufgearbeitet) können in der Museumsremise der Tiroler MuseumsBahnen besichtigt werden. Mit dem ab der Elektrifizierung im Jahr 1909 vorhandenen Wagenpark wurde dann mit eher geringfügigeren Veränderungen bis zur Einstellung gefahren.
Mit der Umstellung auf elektrischen Betrieb wurden acht Stück vierachsige Triebwagen bei der Grazer Waggonfabrik (elektrischer Teil Firma AEG) mit einer Leistung von 2x50 PS beschafft. Später erfolgte z. T. ein Umbau dieser Triebwagen, mit einer Verstärkung auf vier Motore, um sie auch auf der neu elektrifizierten Innsbruck Mittelgebirgsbahn einsetzen zu können. Da Geld knapp war, musste man damals nach der Elektrifizierung der „Haller“ mit den bisherigen zweiachsigen Beiwagen, die lediglich geringfügige Adaptierungen erhielten, das Auslangen finden. Die Zugsverbände (Drei- bis Fünf-Wagen-Züge) hatten damit die für die „Haller“ über Jahrzehnte unvergleichliche Optik. Ein Einsatz der von der Rechtsufrigen Thunerseebahn im Jahr 1953 gekauften Garnituren hat sich aus verschiedenen Gründen nicht bewährt und diese Fahrzeuge fanden auf der Linie 4 keine Verwendung.
Die unterschiedlichsten Ereignisse im Betriebsgeschehen der LBIHiT, wie ein Zusammenstoß mit einem Reichsbahngüterzug in Loretto (1941), ein Auffahrunfall zweier Lokalbahnzüge in Thaur (1942), Bombenangriffe (1944), ein durch Föhnsturm umgeworfener Triebwagen in Thaur (1954) konnten deren Bestand nicht gefährden.
Am 8. Juni 1974 war es dann allerdings so weit, die allseits bekannte und beliebte „Haller-Trampel“ wurde eingestellt. Als vordergründiges Motiv dafür wurde die unverhältnismäßig große Verteuerung des neuen Verkehrsknotens Reichenauer-Brücke bei Einbindung der „Haller“ in diesen angegeben. Beim Erleben des heutigen Verkehrsstaus in diesem Bereich mag sich so mancher Mitbürger (auch vielleicht Politiker) mit Wehmut an die alte „Haller“ erinnert haben und daran gedacht haben, welche Möglichkeiten sich heute bei einem Bestand dieser Linie für einen effizienteren Nahverkehr Innsbruck–Reichenau–Olympisches Dorf–Hall ergeben würden.
Eine im Rahmen des Regionalbahnkonzeptes in Erwägung gezogene „Auferstehung“ der „Haller“ hat sich nach kurzer Euphorie wieder zerschlagen; immerhin wird die Regionalbahnlinie 5 ab ca. 2022 die ÖBB-Haltestelle Rum (=ehemalige Haltestelle „Rumerhof“ der Haller) erreichen, diesmal jedoch über die Reichenau und das Olympische Dorf.
Von den alten Garnituren der „Haller sind die Triebwagen 1 und 4 im Bestand der Tiroler MuseumsBahnen, die Triebwagen 2 und 3, die für den Einsatz auf der Innsbrucker Mittelgebirgsbahn mit stärkeren Motoren ausgerüstet wurden, dienen der IVB als Nostalgie- und Arbeitsfahrzeuge. 2 originale Haller Beiwagen gehören ebenfalls zum Bestand der Tiroler MuseumsBahnen.
Weitere Fotos und Informationen können Sie den im Localbahnmuseum der Tiroler MuseumsBahnen erhältlichen Broschüren entnehmen.
Strecke
Bei der Schilderung des Streckenverlaufes wird von der zum Zeitpunkt der Betriebeinstellung gegebenen Linienführung ausgegangen. Im Stadtgebiet von Innsbruck war die Linienführung der Linie 4 („Haller“) im Saggen und der Innenstadt in etwa gleich der, der Linie1. Nur führte die Strecke der „Haller“ nach der Maria Theresienstraße zum Hauptbahnhof.
Über die Bruneckerstraße, entlang der Bahnviadukte in der Ing.-Etzel-Straße ging es auf den Gleisen der Linie 1 in den Stadtteil Saggen. Im Stadtteil Saggen wohnte damals das eher wohlhabendere Bürgertum von Innsbruck. Noch heute zeugen zahlreiche schöne Villen und Stadthäuser davon.
Bei der Haltestelle Kettenbrücke verließ die Haller die Stadtbahngleise und fuhr vorbei am Riesenrundgemälde (einer lebensgroßen Darstellung von Szenen aus den Schlachten am Bergisel der Tiroler Freiheitskriege 1909 gegen die Franzosen und Bayern) über die Innbrücke, vorbei auch an der Brücke der alten Standseilbahn auf die Hungerburg auf die andere Innseite. Ursprünglich hatte die Localbahn eine eigene Brücke, allerdings mit dem Abtrag der Kettenbrücke wurde die „Haller“ auf die kombinierte Straßen-Localbahnbrücke verlegt.
Weiter ging es nun auf der Hallerstraße in Richtung Rum. Hier kam man auch an der Rauch-Mühle vorbei. Ursprünglich im etwas nördlicher gelegenen Dorf Mühlau gelegen, führte hier von der eh. Südbahnstrecke (heute ÖBB-Strecke Kufstein-Brenner) die 1. el. Eisenbahn als Werksbahn ins Mühlengelände. Nach einer Oberleitungstrennstelle zum Überlandabschnitt mit einer größeren Spannung (1200V) und auf eigenem Bahnkörper fahrend, zeigten die el. Triebwagen dann, was in ihnen steckte. Da diese Fahrzeuge keine Geschwindigkeitsanzeige hatten, konnte es schon einmal vorkommen, dass sich der eine oder andere Wagenführer mit der Fahrgeschwindigkeit irrte und die Triebwagen so „full speed“ machten. Bei diesen teilweise schon als Höllenritt anmutenden Fahrten meinte man z.T. in den Beiwagen, man befinde sich in einer Hochschaubahn.
Vorbei am seinerzeitigem Schießstand (etwa dem heutigen Stadtteil Olympisches Dorf), dem Dorf Rum ging auf die Hallerstraße im freien Gelände der Gemüsefelder der Thaurer Bauern, den Gemüselieferanten für die Stadt Innsbruck, um dann knapp danach zur einzigen Ausweiche auf dieser eingleisigen Strecke in Thaur zu kommen. Der Verkehr wurde damals mit Erlaubniszeichen (eine Art Kelle) geführt. Wer das für den jeweiligen Streckenbereich geltende Erlaubniszeichen hatte, durfte in diesen Streckenabschnitt einfahren. Dieses System hat sich hier ganz gut bewährt, denn es hat in den über 80-Jahren keinen diesbezüglichen Unfall gegeben.
Danach wurde die Straßenbahn total im freien Gelände geführt, was neben dem Phänomen, des „Ausfahrens“ der Triebwagen auf max. Geschwindigkeit auch vermehrte Angriffsmöglichkeiten für den im Raum um Innsbruck sehr häufig auftretenden Föhn, einen aus dem Wipptal (Brenner) kommenden warmen Fallwind, bot.
Am Ende dieser geraden Strecke, im Bereich der Loretto-Überführung über die ÖBB-Strecke hat, wie eingangs erwähnt, ein sehr starker Föhnsturm sogar einen Triebwagen zum Umstürzen gebracht. Bevor diese Überführung allerdings errichtet wurde, querte die Localbahn Innsbruck Hall die normalspurige Bundesbahnstrecke Kufstein-Brenner. Für die Oberleitungen der ÖBB (15.000V, 16 2/3Hz) und der Localbahn (1.200V, DC) gab es hier eine eigene durch spezielle Abhängigkeiten abgesicherte Systemtrennstelle.
Diese Überführung stellte im gesamten Streckenverlauf eigentlich die größte Steigungsstelle dar und einige Lausbuben nahmen dies manchmal zum Anlass hier durch z.B. Zudrehen der Handbremse oder Ablassen der Druckluft der Bremsen bei den Beiwagen den Zug zum Stehen zu bringen, - was bei einem Erfolg dieser Aktion in weiterer Folge gutes Laufvermögen notwendig machte, um einer Bestrafung durch die Zugmannschaft zu entkommen.
Nun schon auf Haller-Gemeindegebiet befindend, ging es vorbei am Tiroler Röhrenwerk und diversen sonstigen kleineren Haller Industriebetrieben dem Endpunkt der Strecke in Hall zu. Nach Auflassung der Straßenbahn wurde hier die neu gewonnene Fläche nur für die Verbreiterung einer Nebenfahrbahn verwendet, also kein großes Hindernis die alte Trasse ohne größere städtebauliche Maßnahmen wieder aufleben zu lassen. Nach Queren der Abzweigung der ehemaligen Landestraße nach Tulfes und Ampass fuhr der Zug dann in den Unteren Stadtplatz in Hall ein. Hier war ein richtiger kleiner Bahnhof mit Ausweichgleis und Stutzgleis zu einer Remise vorhanden. Übrigens eine dieser Weichen ist ausgebaut und am Vorplatz der Museumsremise bei den Tiroler MuseumsBahnen verlegt worden. Sie tut hier noch immer ihren Dienst.
Da die letzte Straßenbahn meist in Hall „übernachtete“, war auch auf der anderen Straßenseite eine Remise vorhanden, die auch heute noch steht. Sie wird jetzt allerdings als Bus-Garage genutzt.
Mit der Einstellung dieser Bahn am 8.6.1974, das als Volksfest gefeiert wurde und dabei die letzten Züge total überfüllt waren, verschwand ein liebenswertes Bahnjuwel aus der Tiroler Eisenbahnlandschaft. So mancher Autofahrer, der heute im morgendlichen oder abendlichen Stau auf der Hallerstraße steht und sich noch an die „Haller“ erinnern kann, ist sicher schon zur Überzeugung gekommen, dass die damalige Entscheidung zu Einstellung sicher keine gute war. Denn nur der Verkehrsträger Straßenbahn ist in der Lage, das hier zu transportierende Fahrgastaufkommen sinnvoll zu bewältigen.
Wenn es nach dem neuen Regionalbahnkonzept geht, dann sollen hier bis zur ÖBB-Haltestelle Rum ca. ab 2022 moderne, fast 30m lange Niederflur-Straßenbahnen mit einem Fassungsvermögen von über 200 Fahrgästen eingesetzt werden. Die Weichen für eine Wiedererstehung dieser vor über 100-Jahren in Betrieb genommenen Localbahn wären damit vorerst wohl einmal gestellt, allein es liegt nun nur mehr am Willen und der Durchsetzungskraft der hier zuständigen politischen Entscheidungsträger, dass es zur Verlängerung bis Hall und wieder zur Installierung eines effektiven und umweltfreundlichen Nahverkehrsmittel kommt. Lassen wir uns überraschen?!